BLOCK 39 Masterplan

Belgrad

2012

Beschreibung

Neu-Belgrad ist eine Stadt unserer Zeit – eine Stadt, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts aus eindeutig modernistischer Perspektive erdacht und geplant wurde. Soleil (Sonne), Verdure (Begrünung) und Espace (Raum) sowie funktionelle Trennung waren, gemeinsam mit den Regeln des Internationalen Kongresses Moderner Architektur (CIAM), die Hauptargumente für Neu-Belgrad. Wie erleben wir Neu-Belgrad jetzt, 60 Jahre später, und wie wollen wir seinen Bau fortsetzen? Wir entschieden uns für einige wenige, sehr einfache räumliche Mittel, die alle in engem Zusammenhang mit den Prinzipien der Moderne stehen.
Erstens entschieden wir uns für eine erhöhte, vom Boden losgelöste Stadt. Nur Pfeiler und Verkehrselemente sollen den Boden berühren. Wir schlagen eine schwebende Stadt vor, ganz im Sinne der Prinzipien der Moderne : Gebäude auf Pfeilern, die den gesamten Boden freilassen.

Zweitens ist der gesamte Ort für alle nutzbar und zugänglich. Die Gebäude behindern weder die Sicht noch die Bewegung. Das Gelände wird von einer Vielfalt an unterschiedlicher Vegetation, exotischen und heimischen Pflanzen, Wasserwegen, Radwegen und einem Laufpfad besetzt.

Anstelle der funktionellen Trennung der Moderne tritt die Komplexität der Gleichzeitigkeit. Unterirdisch befindet sich eine Platte für Parkplatz- und Servicefunktionen.
Die Geländeoberfläche wird von vielfältiger Vegetation bedeckt und ermöglicht eine Stadt der Fußgänger. 65 % des Bauplatzes sind begrünt und fast die gesamte Geländeoberfläche bietet freie Sicht.

Eine hohe Programmdichte ist möglich. Als Referenzmodell schlagen wir den Jussieu-Campus der Sorbonne-Universität in Paris vor. Der Jussieu-Campus besteht aus einem Raster von Höfen mit den Maßen 33m x 48m und der gesamte Block ist erhöht, sodass auf Bodenniveau eine ca. 5m hohe Zone frei bleibt. So sind sämtliche Räume der verschiedenen Höfe miteinander verbunden und ein räumlicher Fluss entsteht zwischen den Höfen. Die Grundabmessungen des Jussieu-Campus, 33m x 48m, werden für Blok 39 in Belgrad übernommen.
Das städtebauliche Vorschlag für Blok 39 sieht eine frei zu haltende Bodenzone von 6 Metern Höhe vor. Der Raum soll sich vom Rahmen eines Hofes zum nächsten fortsetzen. Um den räumlichen Fluss zu verstärken, ist die Untersicht leicht gewellt, so dass eine starke Plastizität der Räume und eine Vielfalt an unerwarteten Hofprofilen entstehen.

Das Zentrum für die Förderung der Wissenschaft (CFPOS) ist vom Boden gelöst. Entsprechend dem städtebaulichen Konzept ist es ein Gebäude, das über dem Boden schwebt. Es wirkt auf 3 Ebenen. Erstens ist es auf Ebene der Stadt Belgrad ein optimistisches Signal an einer der Hauptachsen der Stadt.
Zweitens ist es für Blok 39 ein Zeichen, Schirm und Portal. Als Gebäude mit dem Programm der Wissenschaftsförderung zeigt und spielt es drittens mit Visionen von Technologie und Baukunst. Das architektonische Vokabular des Zentrums ist deutlich von Technologie und der Darstellung struktureller Prinzipien geprägt. Alle Außenflächen haben eine schlichte Charakteristik. Die Untersicht des Zentrums erhält eine besondere Rolle: sie hat spiegelnde Qualitäten, die jede Bewegung am Boden reflektieren können, so auch die Besucher, die durch Eintritt in das Zentrum in die Spiegelung der Erdoberfläche eintreten.


Ted Sandstra: Ehrgeizige Pläne für ein neues Belgrad
Das Zentrum für die Förderung der Wissenschaft

In: 2011 COMPETITIONS Annual. G. Stanley Collyer (Hg.) mit Beiträgen von William Morgan, Ted Sandstra und Eric Goldemberg
Louisville: The Competition Project, Inc., 2012. S. 110f.

Kontext

Die serbische Hauptstadt Belgrad, einst das politische Zentrum Jugoslawiens vor dessen Zerfall in eine Reihe kleinerer Nationalstaaten, erfindet sich neu und löst sich dabei von der Fixierung auf die nationalistische Vergangenheit; mit dem EU-Beitrittsantrag wird der kulturelle und wirtschaftliche Fortschritt als höchste Priorität definiert. Im Rahmen dieser Neuausrichtung lobte die Stadt vor kurzem Wettbewerbe für zwei städtebauliche Projekte aus und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse Belgrads nicht nur als stetig wachsende Großstadt, sondern auch auf der Suche nach Ideen im Einklang mit einer zivilen und nationalen Identität, die historisch bedeutsame Orte ihrer Geographie neu definieren soll. In diesem Sinne schrieb die serbische Verwaltung in der Tradition der „Grands Projets“ Wettbewerbe für das Zentrum für die Förderung der Wissenschaft sowie für das Beton Hala Waterfront Center 2011 und den Kalemegdan-Park an der Donau aus; ersteres befindet sich in Block 39 des Plans von Neu-Belgrad, letztere direkt gegenüber am anderen Ufer der Save.
Neu-Belgrad wurde in den 1950ern ursprünglich als Bindeglied zwischen zwei Städten – Belgrad im Osten und Zemun im Westen – konzipiert. Belgrad war einst der westlichste Punkt des Osmanischen Reiches, während Zemun westlich davon für Österreich-Ungarn stand. Mit der Verbindung dieser beiden Städte durch einen neuen, modernen Wohnbezirk wollte das Tito-Regime der werdenden Nation eine Zukunftsorientierung geben.
Aus dem Auslobungstext geht klar hervor, warum die Stadt ein neues Zentrum für die Förderung der Wissenschaft als eine ihrer höchsten Prioritäten betrachtet:

„Wissenschaftszentren wecken Neugier und fördern die Entdeckung der Wissenschaft schon ab dem Kindesalter. Im Kontext einer wissensbasierten Gesellschaft kann ein modernes Wissenschaftszentrum eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung einer Wissenschaftskultur und der Stärkung der Forschung spielen, nicht nur für die junge Generation, sondern auch für Erwachsene.“
Zweifellos war der Stadt an einem Entwurf gelegen, der ins Auge springt; der Siegerentwurf des österreichischen Architekten Wolfgang Tschapeller erfüllt diese Anforderung auf jeden Fall.

Erster Preis
Wolfgang Tschapeller ZT GmbH
Wien, Österreich

Angesichts der vorgeschlagenen erhöhten Lage des Raumprogramms über der Straße – einer strukturell bemerkenswert einfachen und klaren Lösung – kann man davon ausgehen, dass die Jury diesen Ansatz bestechender fand als andere, weniger gelungene Versuche, in einer vom Autoverkehr geprägten Stadtlandschaft Höhe und Sichtbarkeit zu schaffen. Die Erhöhung des Raumprogramms erschließt auch auf der Ebene der Straße Raum für zusätzliche Einrichtungen für Fußgänger.
Laut dem Verfasser folgt die Erhöhung des Ausstellungsbereichs über der Grundfläche den Prinzipien der Charta von Athen des Internationalen Kongresses Moderner Architektur (CIAM). Dadurch spannt der Entwurf den Bogen zur Geschichte des Standorts, der zu einer Zeit konzipiert wurde, als die Charta von Athen den Städtebau prägte. Der Auslobungstext stellt fest:

„Damals war die Stadtplanung futuristisch, mit einem klaren, rechtwinkeligen Straßennetz, breiten Boulevards, schnellem Verkehr, offenen und halboffenen Häuserblocks mit Makro- und Mikroatmosphären und entsprechenden Inhalten, Grünzonen und guter Umweltqualität.“

Einmal auf der Hauptebene angelangt, erkennt man am Entwurf eine funktionale und sehr dezente Anordnung des Raumprogramms. Die Gebäudehülle konturiert klar die architektonischen Elemente im Gebäudeinneren: die Halbkugel des Planetariums, die Röhren für die vertikale Erschließung, gestaffelte Sitzreihen im Auditorium und den großen, geschlossenen Kubus des ausgesprochen flexiblen Ausstellungsbereichs. Diese rationelle Raumnutzung zieht sich auch durch die Statik, wo der Verfasser den Einsatz von Hohlräumen in der Betonplatte zur Reduktion des Eigengewichts vorsieht. Wenn die Besucher auch beim Erklimmen der Rampen und Vordringen in die Untersicht dieses Raumschiffs mit einem immer schöneren Blick über Neu-Belgrad belohnt werden, so scheint dieser ungeschützte vertikale Erschließungsweg ihnen bei Schlechtwetter doch einiges an Wetterfestigkeit abzuverlangen. Vielleicht wird noch eine Umfassung (ähnlich etwa dem Centre Pompidou) vorzusehen sein, um den Besuchern im Winter Windschutz zu bieten.
Aus dem Schlusswort der Jury gehen deutlich die Kriterien für die Bewertung des Siegerentwurfs hervor:

„Obwohl die Gebäudeform radikal scheint, ist die Konstruktion doch einfach, geradlinig, gut durchdacht und wohlkalkuliert. Die Jury kommt zu dem Schluss, dass dieses Projekt sowohl den Anforderungen als auch den Ambitionen der geplanten Institution und der Stadt, für die es ein neues, willkommenes Wahrzeichen sein wird, exakt entspricht.“

Mitarbeiter

Mitarbeiter | Collaborator
Mitarbeiter | Collaborator
Mitarbeiter | Collaborator
Mitarbeiter | Collaborator

Consultants
Peter Bauer, Peter Resch
Tragwerksplanung | Structural Engineering
Thomas Schwed
Projektmanagement Support | Project management support
Armin Hess
Renderings | Renderings
Pläne 11/1
BLOCK 39 Masterplan Pläne b39_bersichtsplan_25000_schwarzp0
Figure ground Belgrade with old town and New Belgrade, Sava and Danube  
Schwarzplan Belgrad mit Alter Stadt und Neu Belgrad, Sava und Donau  
BLOCK 39 Masterplan Pläne b39_grundrisse_0
Plan Level 0.00 1 SUNKEN PATH SURROUNDING THE SCIENCE GARDEN 2 ENTRANCE SCIENCE GARTEN 3 ESCAPE STAIRS (2X120 CM - ONE OF THEM FOR FIRE BRIGADE) 4 FREIGHT ELEVATOR (INTERIOR MEASUREMENTS 2,00 X 3,50M) 5 3 PUBLIC ELEVATORS TO CFPOS LOBBY AND ROOF GARDEN (INTERIOR MEASUREMENTS 1,80 X 2,60M - AVERAGE WAITING TIME 33 SECONDS) 6 STAIRS TO PARKING GARAGE 7 TAXI DROP-OFF 8 ENTRY PARKING GARAGE / DELIVERY 9 EXIT PARKING GARAGE / DELIVERY 10 PUBLIC ROUTE TO ROOF GARDEN 11 TOILETS 12 BAR 13 RAIL CRANE CONNECTING SCIENCE GARDEN WITH EXHIBITION AND WORKSHOP 14 OPEN AIR CINEMA 15 SOUND BARRIERS 16 PUBLIC BUS STOP 17 ELEVATED PATH THROUGH SCIENCE INSTITUTE TO FACULTIES AND RESEARCH CENTRES 18 ENTRANCE PLATEAU FOR SCIENCE INSTITUTE  
 
BLOCK 39 Masterplan Pläne b39_grundrisse_15
Plan Level +15.00 ENTRANCE HALL SHOP CAFE STAFF OFFICE BOOKING OFFICE INFO DESK LOCKERS, TOILETS CHANGING ROOM STAFF  
 
BLOCK 39 Masterplan Pläne b39_grundrisse_19
Plan Level +19.00  
Plan Level +19.00 PERMANENT EXHIBITION TEMPORARY EXHIBITION WORKSHOPS  
BLOCK 39 Masterplan Pläne b39_grundrisse_28
Plan Level +28.00 DOME THEATRE CONFERENCE HALL SCIENCE CLUB RESTAURANT ROOF GARDEN  
 
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Schema 43/4
BLOCK 39 Masterplan Schema 101127_oben_axo_diagramme_gr_n
CONTINOUS GARDEN / THE CITY SURFACE BELONGS TO EVERYBODY ALL BUILDINGS ARE RAISED OFF THE GROUND  
 
BLOCK 39 Masterplan Schema 101127_oben_axo_5_fusswegen
Axonometric view of Blok 39  
Axonometrie  
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BLOCK 39 Masterplan Schema b39_explosion_layers
Raised and folded underside views produce a strong plasticity and flow of spaces - the surface of the city belongs to everybody - all buildings are raised 6m above the ground - Blok 39 is a continuous garden surface.  
 
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BLOCK 39 Masterplan Schema b39_bauphase0_green
Phase 0  
Phase 0  
BLOCK 39 Masterplan Schema b39_bauphase1
Phase 1  
Phase 1  
BLOCK 39 Masterplan Schema b39_bauphase2
Phase 2  
Phase 2  
BLOCK 39 Masterplan Schema b39_bauphase3
Phase 3  
Phase 3  
BLOCK 39 Masterplan Schema b39_bauphase4
Phase 4  
Phase 4  
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BLOCK 39 Masterplan Schema b39_referenz_geb_ude
References 1. Jussieu Master Plan, Paris 2. Freie Universität, Berlin 3. El Escorial, Madrid 4. Blok 39, Belgrade  
 
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Blicke 53/5
BLOCK 39 Masterplan Ansichten f16
The Center for Promotion of Sciences in Belgrade is detached from the ground. Following the urban concept it is a building floating high above the ground. It operates on 3 levels. Firstly, on the level of the City of Belgrade it will be an optimistic sign positioned on one of the main routes of the city. Secondly, for Blok 39 it will be sign, canopy and portico. Thirdly, as a building being programmed to promote sciences, it displays and plays on visions of technology and construction. The architectural language of the center is strongly one of technology and the display of structural principles. All exterior surfaces have a simple character.  
 
BLOCK 39 Masterplan Ansichten f16_detail
A special role is given to the underside of the Centre for Promotion of Science: it will have mirroring qualities, able to reflect all the movement on the ground as well as the visitor who by entering the center is penetrates the reflections of the Earth’s surface. The Centre acts as a canopy to various outdoor functions, such as the Science Garden, an outdoor movie theatre where films are projected on the underside of the Centre and visitors lie in the grass, an outdoor bar to take a morning coffee, and facilities of the university.  
 
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BLOCK 39 Masterplan Ansichten f3
Centre for Promotion of Science with Science Institute in the background seen from Boulevard of Art  
 
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BLOCK 39 Masterplan Ansichten f1
Science Institute, Centre for Promotion of Science and Faculties for Electrical Engineering, Faculty of Organizational Sciences, Faculty of Mathematics and Faculty of Physics seen from Omladinskih Brigada Street  
 
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BLOCK 39 Masterplan Ansichten f4
Urban proposal 1 We opted for an elevated city detached from the ground. Only pillars and elements of circulation shall touch the ground. We are proposing a floating city, buildings on piles leaving the entire ground free.  
 
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BLOCK 39 Masterplan Ansichten f5
The urban program for Blok 39 provides for a ground zone of 6m in height to be kept free. Space shall flow from the frame of one courtyard to the other. To heighten the flow of spaces the underside view is slightly undulating, consequently producing a strong plasticity of spaces and a variety of unexpected courtyard profiles.  
 
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